Was vor ein paar Jahrzehnten noch mühsame Handarbeit war, wird nun immer weiter technisiert: Das Melken. Die romantischen Szenen aus Filmen, in denen jemand auf einem Schemel neben der Kuh sitzt und Strich für Strich (als Strich werden die Zitzen der Kuh bezeichnet) von Hand abmelkt, gehören eindeutig der Vergangenheit an. Gerade bei unseren heutigen Hochleistungskühen mit Milchleistungen von mehr als 27 Litern pro Tag würde es wohl ziemlich lange dauern, diese manuell zu melken. Doch welche Arten von Melksystemen gibt es eigentlich heutzutage und wie funktionieren sie? Schauen wir es uns gemeinsam an!

Melkstand

Das wohl bekannteste und am stärksten verbreitete Möglichkeit des Melkens ist der Melkstand. In einem Melkstand können mehrere Kühe stehen, während auf einer tieferen Ebene (Melkgraben) die melkenden Personen stehen und sich so auf einer Höhe mit den Eutern der Kühe befinden.

Zu Beginn des Melkvorgangs wird jede Zitze angemolken, um festzustellen, ob sichtbare Qualitätsmängel in der Milch vorliegen, zum Beispiel Flocken in der Milch oder eine Farbabweichung. Diese visuelle Prüfung der Milch dient dem Ausschluss von Kühen mit Euterentzündungen vom Melkvorgang, denn ihre Milch darf nicht weiterverwendet werden. Gleichzeitig werden beim sogenannten „Anrüsten“ die Zitzen und das Eutergewebe stimuliert, es kommt zu einer Ausschüttung von Oxytocin im Körper und die Kuh sowie ihr milchgebendes Organ werden darauf eingestellt, dass nun der Melkvorgang beginnt. Diese Schritte ahmen das Verhalten eines Kalbes nach, welches durch kleine Nasenstupser gegen das Euter den Milchfluss seiner Mutter anregt, wenn es Durst hat. Nach der Stimulation werden die Zitzen gereinigt, indem sie mit einem feuchten Lappen mit speziellem Reinigungsmittel abgewischt und so alle Verschmutzungen entfernt werden. Es ist wichtig, anschließend die Zitzen mit einem Tuch abzutrocknen, denn so wird verhindert, dass das Melkzeug zu weit nach oben gezogen werden kann. Bei zu hoher Restfeuchte auf den Zitzen könnte dies durch das starke Vakuum in den Melkbechern und den verringerten Reibungswiderstand der feuchten Haut leicht passieren und der Kuh Schmerzen zufügen. Während des gesamten Vorgangs vor dem Ansetzen der Melkmaschine erfolgt neben der oben beschriebenen Prüfung der Milchqualität außerdem eine Kontrolle der äußeren Eutergesundheit. So können Wunden, Schwellungen oder andere äußerliche Schädigungen am Euter schnell erkannt werden und eine mögliche Kontamination der Milch im Tank durch die Milch einer kranken Kuh verhindert werden.

melksysteme Blog plantamedium titelbild

Das Anlegen des Melkzeugs ist der nächste Schritt beim Melken. Das Melkgeschirr, welches sich über Unterdruck an die Zitzen ansaugt und mittels Vakuums melkt, muss von der melkenden Person vorsichtig angelegt werden. Es gilt zu vermeiden, dass Luft eingesogen wird, dass das Melkgeschirr den Boden berührt und so schmutzig wird und dass es abfällt.

Der große Vorteil eines Melkstandes besteht darin, dass mehrere Kühe gleichzeitig gemolken werden können und sich auf diese Weise eventuelle Wartezeiten für die melkende Person deutlich reduzieren lassen, zumal die Vor- und Nachbereitung ja bei allen Kühen vorgenommen werden muss.

Sobald die Kuh fertig gemolken ist, lässt das Melkzeug die Zitzen von selbst los und fällt ab. Danach wird noch einmal jede Zitze angemolken, um zu schauen, ob das Euter wirklich leer ist. Ist dies der Fall, so werden die Zitzen desinfiziert und je nach Melkstandart, kann die Kuh nun direkt hinauslaufen oder muss warten, bis alle Kühe in ihrer Reihe fertig sind.

Folgende Melkstandsysteme gibt es:

Fischgrät-Melkstand: In diesem System stehen die Kühe auf zwei Seiten des Melkgrabens in einem Winkel von ca. 30° mit dem Kopf vom Melkstand abgewandt. Auf jeder Seite stehen gleich viele Kühe, wobei die Tiere auf ihren Seiten nur gemeinsam den Melkstand betreten oder verlassen können.

Side-by-Side-Melkstand/Parallelmelkstand: Bei dieser Konstruktionsform stehen die Kühe im 90°-Winkel zum Melkstand und werden durch die Hinterbeine gemolken.

Tandemmelkstand: In einem solchen Melkstand stehen die Kühe auf beiden Seiten längs zum Melkgraben. Das Besondere an diesem System ist, dass jede Kuh ihre eigene Box hat, und aus dem Melkstand laufen kann, wenn sie fertig ist, ohne auf andere Kühe warten zu müssen.

Swing-Over: Beim Swing-Over Melkstand gibt es nicht für jeden Platz ein Melkgeschirr, sondern pro gegenüberliegendem Platzpaar ist ein Melkgeschirr an einem beweglichen Arm befestigt und kann so durch den Melkstand schwingen.

Melkkarussell

Das Melkkarussell stellt eine besondere Art des Melkstands dar. Bei einem Melkkarussell treten die Tiere auf eine sich drehende Plattform, bei der entweder innen oder außen die melkenden Personen stehen (entsprechend ist natürlich auch die Ausrichtung der Kuh geregelt). Während die Plattform sich dreht, werden alle Arbeitsschritte durchgeführt, die auch im Melkstand erfolgen. Hinter der Kuh schließt sich jeweils ein Gitter, welches sich nach Beendigung des Melkvorgangs wieder öffnet, um die Kuh von der Plattform treten zu lassen. Melkkarusselle gibt es in den unterschiedlichsten Größen und Varianten.

melksysteme 2 Blog plantamedium

Melkroboter

Die modernste und am wenigsten arbeitsaufwändige Form des Melkens kann mithilfe eines Melkroboters, auch Automatisches Melksystem genannt, erfolgen. Melkroboter stehen fest an einer Stelle im Stall und die Kühe können selbstständig hineingehen. Durch einen Chip am Halsband werden sie vom Roboter erkannt und hereingelassen, sofern sie nicht schon zu oft an diesem Tag da waren. Eine Kuh kommt ca. zwei – viermal täglich zum Melken zum Roboter. Als zusätzlichen Anreiz, zum Melken zu kommen, erhält die Kuh im Melkroboter eine Ration Kraftfutter. Das Automatische Melksystem erledigt dieselben Aufgaben wie der Mensch im Melkstand und kann alle Informationen, wie gemolkene Milchmenge, Dauer des Melkens etc. per App an die Landwirt*innen weitergeben.

melksysteme Blog plantamedium

Mobile Melkmaschine

Mobile Melkmaschinen findet man in Deutschland nicht mehr sehr häufig. Sie werden vor allem auf Almen und in Süddeutschland genutzt, wo Kühe teilweise in Anbindehaltung gehalten werden oder zumindest zum Melken angebunden an ihrem Platz im Stall stehen. Der Tank, in den die gewonnene Milch fließt, ist direkt an die mobile Melkmaschine angeschlossen.

Und welches System ist jetzt das beste?

Diese Frage lässt sich kaum beantworten, da die Auswahl des passenden Melksystems immer von den Gegebenheiten auf dem Betrieb wie beispielsweise der Herdengröße, derStallgröße, der Haltungsform und nicht zuletzt der finanziellen Lage abhängt. Ein Trend in Richtung Melkroboter ist mittlerweile deutlich feststellbar (50 – 70% der Neukäufe). Primärer Vorteil des Melkroboters ist das hohe Maß an Zeitersparnis und die damit verbundene geringere Anzahl an notwendigen Arbeitskräften. Zu beachten ist allerdings die separat erforderliche Gesundheitskontrolle der Tiere, die in einem gesonderten Arbeitsprozess sichergestellt werden muss und nicht mehr „nebenbei“ beim Melken erfolgt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es viele unterschiedliche Melksysteme gibt, die jeweils Vor- und Nachteile haben und die je nach Betriebsspezifikationen mehr oder weniger zu empfehlen sind.

Author: Thersa Gabriel, Praktikantin bei plantamedium

Kategorien / Themen

Schlagworte / Tags

Beitrag teilen auf…